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Frischer Wind aus der Welt der Forschung – die neue Laborleiterin bei Ovumia löst das Rätsel um die Eizelle

Die als Laborleiterin zu Ovumia Helsinki zurückgekehrte Marjut Otala möchte Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis sein. Die erfahrene Wissenschaftlerin glaubt, dass von diesem Umstand auch die Patientinnen profitieren.

Die neue Laborleiterin bei Ovumia Helsinki, Dr. phil. Marjut Otala zeigt sich nachdenklich. Die Biologin, hinter der eine lange Wissenschaftskarriere in der künstlichen Befruchtung liegt, hält inne, um darüber zu sinnieren, welcher Weg letztlich zum Durchbruch führt: die Züchtung von Eizellen aus Eierstockgewebe oder aus Stammzellen.

– Das ist eigentlich wirklich eine gemeine Frage, antwortet sie.

Die Frage ist auch eine persönliche, was etwas Wissen über ihren Werdegang erfordert. Dazu müssen wir ans Ende des vorigen Jahrhunderts zurückgehen, als Otala an der Universität Helsinki Biochemie und Genetik studierte. Die Studien zur Magisterarbeit führten zu Forschungsbeginn an die Universität von Minnesota, wohin der Professor für Veterinärmedizin Alan Hunter die Finnin mit seinen Kursen lockte.

Otala führte Untersuchungen in Verbindung mit der In vitro -Befruchtung (IVF) von Tieren durch und arbeitete den Sommer in Hunter‘s Labor. Vom Schlachthof kam ein Eimer voll mit Eierstöcken von Kühen, aus denen Otala mit der Nadel Eizellen entnahm.

In Finnland schloss Otala Ihre Magisterarbeit beim Bevölkerungsverband (Väestöliitto) ab und nahm an den gerade von Frau Professor Outi Hovatta begonnenen Untersuchungen zur Kultivierung von Eierstockgewebe teil. Thema der Magisterarbeit war, wie man Eizellen aus dem Eierstockgewebe, also die Follikel, im Labor, also in vitro züchten kann. Otala verglich in Ihrer Arbeit verschiedene Nährböden.

Nach ihrer Magisterarbeit kehrte Sie zu weiterführenden Studien in die Vereinigten Staaten zurück. Es bot sich eine Stelle im Team von Barry Bavister, zu der Studenten des Nobel-Preisträgers Robert Edwards gehören, aber Otala bekam ebenfalls ein interessantes Angebot in der Kinderklinik im Team von Leo Dunkel und blieb letztlich in Finnland.

Dunkel hatte sich auf die Apoptose, den programmierten Zelltod der Eizellen spezialisiert. Beispielsweise zerstören Krebsbehandlungen die Geschlechtszellen. In Harvard wurde eine Studie veröffentlicht, in der man Apoptose-Wege so manipulieren konnte, dass Eizellen von Mäusen nicht an der Strahlung starben.

Otala versuchte dasselbe bei männlichen Mäusen, aber die Apotose-Wege männlicher Mäuse erwiesen sich als wandelbar. Auf die Blockade eines Weges folgte ein neuer Weg, der zum Tod der Zelle führte.

Als Bindeglied zwischen zwei Welten

Diese beiden Themen, die Konservierung von Eizellen und deren Laborkultivierung, haben Otala fast ihre gesamte Karriere hindurch beschäftigt. Sie hat bei Biomedicum, im Väestöliitto, bei Fimlab und zuletzt an der Uni-Klinik Helsinki in anspruchsvollen Experten- und Leitungspositionen gearbeitet.

Zwischendurch gab es auch gut ein Jahr bei Ovumia (dem damaligen Fertinova). Es ist ziemlich selten, dass ein/e Wissenschaftler/in für Alltagsaufgaben in den privaten Sektor zurückkehrt.

– Ich glaube, ich bin in dieser Szene ein ziemlich schräger Vogel. Ich sehe mich als Bindeglied zwischen der Universitätswelt und der Durchschnittsperson, die IVF-Behandlungen aufsucht. Dies sollten keine zwei verschiedenen Welten sein, obwohl es in Finnland ein wenig so ist.

Otalas Forschungsgebiet ist die Grundlagenforschung. Die Dissertation behandelte zur Hälfte die Kultivierung von Eierstockgewebe und zur anderen Hälfte die Erhaltung der männlichen Fruchtbarkeit mit Hilfe von Sphingosin-1-phosphat.

Die Fähigkeit, Eizellen außerhalb des Körpers zu kultivieren, würde die Behandlungen zur künstlichen Befruchtung revolutionieren, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und die neue Technologie wäre für Normalpatienten nicht sofort zugänglich.

– Das Verständnis für die Wege, die mit dem Reifen der Eizellen verbunden sind, kann auch normalen, kinderlosen Patientinnen helfen. Gerade dabei könnten sie Probleme haben. Aber von der Individualisierung ist man noch weit entfernt.

Otala hält die Patientenarbeit dennoch für wertvoll. Bei staatlichen Behandlungen gibt es lange Wartezeiten, und nicht jeder ist aufgrund von Altersgrenzen und anderen Kriterien hierfür zugelassen. Privatkunden, die es lange versucht haben, verdienen ihre Chance.

– Mein Engagement in der Forschungswelt bringt ein ureigenes Interesse an dieser Arbeit im IVF-Labor mit sich. Ich sehe, wie der Alltag abläuft, und was auf dieser Seite nötig ist. Warum werden Untersuchungen durchgeführt, welcher Nutzen könnte daraus erstehen und für wen.

Das Gleiche funktioniert auch umgekehrt: Alltagserfahrung hilft der Forschung.

– Das Wissen über Unfruchtbarkeit und deren Behandlung, sowie die Fähigkeit, sich mit Follikeln und Eizellen zu beschäftigen, ist für die Forschungsseite definitiv von Vorteil. Andererseits sollte von der Forschung eine Verbindung zu den Menschen bestehen, damit Wissen auch anderswo, als in den heiligen Hallen der Wissenschaftler genutzt werden kann.

Im Brutschrank kultivierte Eizelle als Ziel

Die Zahl der Eizellen ist im fetalen Stadium, inmitten der Schwangerschaft, am größten. Ein kleines Mädchen verfügt bei ihrer Geburt über 1–2 Millionen von ihnen – oder auch nur einige Hunderttausend. Dabei sind die individuellen Unterschiede gewaltig.

Der größte Anteil der Ovarialfollikel an den Eizellen sind ruhende Eizellen im frühesten Stadium. Mit dem Älterwerden der Frau wird dieser Vorrat verbraucht. Die Menopause tritt mit durchschnittlich 51 Jahren ein, wenn noch etwa eintausend Eizellen übrig sind.

Mit dem Altern der Eizelle nehmen deren chromosomenbedingte Probleme zu. Die Kenntnis der Prozesse, die die Qualität beeinflussen, würde den In vitro -Behandlungen zugutekommen.

Ein Teil benötigt auch deshalb Behandlungen, da die Funktion der Eierstöcke vorzeitig nachlässt. Wenn man wüsste, dass eine genetische Veranlagung zur vorzeitigen ovarialen Erschöpfung besteht (primäre Ovarialinsuffizienz, POI), könnte theoretisch ein Stück des Eierstocks entnommen werden, solange die Eierstöcke noch arbeiten, und zur späteren Verwendung eingefroren werden.

Das Kultivieren einer Eizelle aus Eierstockgewebe ist jedoch leichter gesagt als getan.

– Die Idee ist bekannt, solange ich in diese Arbeiten involviert bin. Ein effizienter und sicherer Weg ist aber noch nicht gefunden. Am weitesten ist vielleicht das Team von Evelyn Telfer in Edinburgh. Sie sind die ersten, die einen ruhenden Ovarialfollikel im Frühstadium außerhalb des Körpers zu einer fruchtbaren, reifen Eizelle kultiviert haben.

Eine Befruchtung kann man jedoch nicht ohne gründliche Untersuchung unternehmen, denn die menschlichen Zellen sind geschützt.

– Man kann nicht einfach losexperimentieren und feststellen, sieh an, das ist fast ein Mensch geworden, fasst Otala zusammen.

Beispielsweise beeinflussen epigenetische Faktoren, Umwelt und Ernährung, in welcher Weise die Gene der Eizelle gelesen werden. Man sollte sich vergewissern, dass das Auslesen möglichst normal ist, bevor man überhaupt daran denken kann, die Eizelle zu verwenden.

Das Einfrieren schützt die Eizellen vor den Krebsbehandlungen

Wenn die labortechnische Kultivierung kleiner, ruhender Eizellen unmittelbar aus Eierstockgewebe irgendwann Erfolg hat, könnte dies z. B. zunächst bei Krebspatienten genutzt werden. In den letzten Jahren hat Otala an der Uni-Klinik Helsinki das Eierstockgewebe bei krebskranken Mädchen untersucht.

Ziel ist es, vor Krebsbehandlungen die Fruchtbarkeit zu schützen. Das eingefrorene Gewebe des Kindes soll nach Jahren rückübertragen werden. Mit von Erwachsenen eingefrorenem Gewebe wurden weltweit schon Hunderte von Kindern geboren.

– Wenn Sie einem an Blutkrebs Erkrankten Gewebe entnehmen, so kann es Krebszellen enthalten. Wenn das Gewebe auf einen Menschen rückübertragen wird, kann der Krebs dann auch wandern. Daher wäre es gut, die Follikelreifung auch in vitro zu beherrschen, d. h. durch die Kultivierung von Eierstockgewebe und die Aufzucht von Follikeln im Schrank.

Ein an Krebs erkranktes Kind wurde oft schon vor dem Einfrieren mit niedrigen Dosen an Zytostatika behandelt. Es ist zu untersuchen, wie sich die Behandlung auf die Eierstöcke und Ovarialfollikel ausgewirkt hat. Die Eierstöcke bei Kindern sind ohnehin weitgehend unerforscht.

Eine Maus hat auf verschiedene Aufgaben spezialisierte Follikelpopulationen. Die Aufgabe der ersten, in der Fetalphase gebildeten Population besteht nicht darin, fruchtbare Eizellen zu produzieren, sondern zur Fruchtbarkeit, der Geschlechtsreife beizutragen. Die zweite Population erzeugt dann reife Eizellen zur Befruchtung.

– Könnte der Mensch über einen ähnlichen Mechanismus verfügen? Wir untersuchen, welche Art von Zellen und Follikeln sich in den Eierstöcken befinden, welche Art von Kommunikation sie führen und welche RNA die Follikel produzieren. Wir müssten wissen, welche Qualität die Eierstöcke von Kindern haben und wozu sie zukünftig in der Lage sind.

Proaktives Einfrieren auch für Gesunde

Auch das Gewebe von Babys wird durchaus eingefroren, aber man weiß noch nicht, ob es in der Lage ist, das endokrine System zu initialisieren. Berichten zufolge ist eine 9-Jährige die jüngste, bei der eingefrorenes Eierstockgewebe erfolgreich rückübertragen und ein Kind geboren wurde.

– Aber eine 9-Jährige ist nicht mehr unbedingt ein Kind. Gerade bei Mädchen unterliegt der Beginn der Pubertät großen Schwankungen. Wenn das Eierstockgewebe des Mädchens geschädigt wird, zerstört das auch die Hormonregulation im Hintergrund.

Die Methode eignet sich auch bei Blutkrankheiten, beispielsweise der Sichelzellanämie oder jeder anderen schweren Erkrankung, bei der Ganzkörperbestrahlung und Knochenmarktransplantation durchgeführt werden.

Natürlich kann man auch schon von Gesunden im Körper entwickelte Eier einfrieren. Dieses proaktive Einfrieren von Eiern führt auch Ovumia durch. In Schweden ist das eine ziemlich häufige Arbeitnehmerzusatzleistung, in Finnland bietet das Berichten zufolge nur Ovumia seiner Belegschaft an.

Nur selten ist eine Frau im fruchtbarsten Alter in der Lage, so etwas zu prognostizieren, und noch weniger haben die Chance, das zu nutzen. Daher müssen Wege gesucht werden, auf denen man auch Frauen in den Vierzigern helfen kann.

– Man weiß letztendlich herzlich wenig über die Physiologie, die die Entwicklung eines Eies bedingt. Was bewirkt seine Aktivierung, wie geht es aus einer Phase in die nächste über, und was beinhalten all diese Phasen, listet Otala auf.

Das Ei misst in seiner Frühphase nur etwa 25 Mikrometer. Durch Aktivierung schwellen die flachen Granulose-Zellen der Umgebung an und es entsteht ein Primärfollikel. Wenn sich die Granulose-Zellen rund um das Ei in Schichten verteilen, bildet sich der Sekundärfollikel.

Vor dem Eisprung vermehren sich die Granulose-Zellen und zwischen ihnen entstehen Vesikel, die zu einem Antrum verschmelzen. Schließlich beträgt der Durchmesser des Eies ein Achtel Millimeter und das ganze System misst ein paar Zentimeter.

– Hier in der Klinik sehen wir die Zellen im Endstadium. Dennoch identifizieren wir auch unter diesen die unreifen Eizellen. Vielleicht sind wir irgendwann in der Lage zu analysieren, wo irgendein großes Problem seine Ursachen hat.

Der Blick wendet sich auf die Stammzellen

Mit der Stammzellenforschung hat die Eierstockforschung einen Herausforderer bekommen. Zum Beispiel können Hautstammzellen darauf ausgerichtet werden, andere Zellen, z. B. Eizellen, zu produzieren. Aus Stammzellen von Mäusen konnte man bereits erfolgreich Eizellen herstellen.

Professor Sherman Silber, ein namhafter Entwickler von Fruchtbarkeitstherapien, hat begonnen, Stammzellen als eine einfachere Quelle für In vitro -Eizellen als Eierstöcke anzusehen.

– Ich habe gerade in einem Vortrag gehört, in dem Silber der Ansicht war, dass es definitiv um die Stammzellen geht. Es ist sinnlos zu versuchen, die ruhenden Follikel der Eierstöcke in ihrer Frühphase reifen zu lassen, da bestimmte Wege derart verschlossen sind, dass die Manipulation nicht wirklich funktioniert. Andererseits gibt das englische Team an, aus Urfollikeln Eizellen gewonnen zu haben.

Otala glaubt, dass auf keinem der beiden Wege bereits intakte menschliche Eizellen gewonnen wurden, auch wenn sie so aussehen. Es bedarf noch einer Menge Arbeit.

Kommen wir also zu der Frage zurück, welcher Weg der wahrscheinlichere ist?

– Eine echt knifflige Frage. Ich glaube gern, dass es möglich ist, außerhalb des Körpers gesunde reife Eizellen aus Urfollikeln des eigenen Eierstockgewebes bei Menschen darzustellen, sogar aus dem Gewebe eines Kindes. So könnte man alle, von Patientinnen entnommene Proben nutzen.

Marjut Otala, geb. 1973

  • Dr. phil., Universität Helsinki 2005
  • Laborleiterin Ovumia Helsinki 05/2021–
  • HUS, Leitende Biologin für künstliche Befruchtung 2016–2021
  • Fimlab, Laborleiterin 2015–2016
  • Ovumia (Fertinova), Leitende Biologin für künstliche Befruchtung 2014-2015
  • Kliniken Väestöliitto (Bevölkerungsverband), In vitro -Biologin /Gütekontrolleurin 2006–2014
  • Vorsitzende Fertilitätsverband der skandinavischen Länder (Pohjoismaiden Fertiliteettiyhdistys) seit 2019
  • Verschieden internationale Publikationen zur Eierstockforschung

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